Das Nießbrauchrecht ist ein komplexes Thema. Allgemeine Fragen erklärt deshalb Frau von Lilienfeld-Toal, Rechtsanwältin und Notarin in Hannover Kirchrode, in diesem Beitrag. Eine individuelle, rechtliche Beratung kann dadurch nicht ersetzt werden. (Bei der Anwaltssuche hilft hier z.B. der Rechtsanwalts- und Notarverein Hannover e.V. weiter.)
Was ist ein Nießbrauchrecht?
Der Nießbrauch ist – vereinfacht ausgedrückt – das Recht, eine Sache (z.B. eine Immobilie) umfänglich zu gebrauchen und aus dieser den Nutzen zu ziehen. Gesetzlich geregelt ist der Nießbrauch in §§ 1030 – 1089 BGB. Das Nießbrauchrecht ist nicht übertragbar (§ 1059 BGB) und unvererblich (§ 1061 BGB). Der Nießbrauch ist also ein höchst persönliches Recht. Es erlischt mit dem Tod des Berechtigten. Jedoch ist es möglich, die Ausübung des Nießbrauchs einem Dritten zu überlassen. Große praktische Relevanz hat der Nießbrauch als Versorgungsnießbrauch bei einer vorweggenommenen Erbfolge.
Wie unterscheidet sich der Nießbrauch vom Wohnungsrecht?
Im Unterschied zum Wohnungsberechtigten darf der Nießbraucher auch die „Früchte ziehen“, also z.B. bei einer Wohn- oder Gewerbeimmobilie diese vermieten und die Miete erhalten. Bei einem Wohnungsrecht darf der Berechtigte die Wohnung zwar zu eigenen Wohnzwecken nutzen, aber nicht vermieten. Der Nießbraucher darf beides – die Immobilie selbst nutzen oder vermieten.
Welche Anwendungsfälle gibt es für Nießbrauch?
Häufig findet das Nießbrauchrecht bei lebzeitigen Übertragungen Anwendung. Der Übertragende behält sich den Nießbrauch vor (sogenannter „Vorbehaltsnießbrauch“). Der Vorbehaltsnießbrauch ist häufig steuerlich motiviert und ermöglicht einen frühzeitigen Übergang von Vermögen auf nachfolgende Generationen. So können z.B. Immobilien bereits zu Lebzeiten auf die Kinder übertragen werden (diese werden dann Eigentümer), ohne dass der Übertagende auf die wirtschaftlichen Einkünfte z.B. aus einer Vermietung verzichten muss (der Übertragende bleibt wirtschaftlich nutzungsberechtigt, d.h. er kann die Immobilie vermieten und die Miete erhalten).
Umgekehrt kann anstelle der Eigentumsübertragung ein Nießbrauchrecht eingeräumt werden (sogenannter „Zuwendungsnießbrauch“). Der das Nießbrauchrecht Einräumende bleibt Eigentümer der Immobilie und der Nießbrauchberechtigte darf die Immobilie wirtschaftlich nutzen.
Welche Rechte und Pflichten bestehen beim Nießbrauch?
Der Nießbraucher hat für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen, hat die gewöhnlichen Unterhaltskosten zu tragen und die Sache gegen Brandschaden und sonstige Unfälle zu versichern. Außergewöhnliche Arbeiten oder Reparaturen hat der Eigentümer zu übernehmen. Die regelmäßigen öffentlichen Lasten (wie z.B. Grundsteuer, Schornsteinfeger etc.) hat ebenfalls der Nießbraucher zu tragen (§ 1047 BGB). Außerordentliche öffentliche Lasten, wie z.B. Anlieger- oder Erschließungskosten, treffen hingegen wieder den Eigentümer. Der Nießbraucher ist nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder sie wesentlich zu verändern (§ 1037 BGB).
Die Verteilung der Kosten für die Unterhaltung und der Lasten kann zwischen den Parteien aber auch abweichend geregelt werden. So kann z.B. geregelt werden, dass der Nießbraucher weder Kosten noch Lasten der Immobilie zu tragen und auch nicht für die Erhaltung im wirtschaftlichen Bestand zu sorgen hat. Jedoch sind hierbei die steuerlichen Folgen zu beachten (der Nießbraucher erhielte zwar die Mieterträge, könnte jedoch Reparaturkosten nicht steuerlich geltend machen, da diese bei ihm nicht anfielen; der Eigentümer trüge zwar die Reparaturen, könnte diese jedoch ebenfalls nicht steuerlich geltend machen, da er nicht Vermieter wäre).
Ferner ist bei der Vereinbarung zu einem Nießbrauchrecht auch an eine ggfs. später erforderlich werdende Finanzierung zu denken, insbesondere, wenn der Nießbrauchberechtigte im Rahmen eines Vorbehaltsnießbrauchs eine Fremdfinanzierung benötigt, um Reparaturen ausführen zu lassen. Hier ist daran zu denken, bereits bei der Übergabe der Immobilie zu vereinbaren, dass der Erwerber als neuer Eigentümer gegenüber dem Nießbraucher verpflichtet ist, auf dessen Verlangen Grundpfandrechte zu Absicherung einer Fremdfinanzierung zu bestellen.
Wie entsteht ein Nießbrauchrecht?
Der Nießbrauch an einer Immobilie entsteht dadurch, dass der Eigentümer den Grundbesitz im Grundbuch mit einem Nießbrauch zugunsten der berechtigten Person belastet. Die Bestellung eines Nießbrauchs bedarf der öffentlich-beglaubigten Form (z.B. bei einem Notar).
Der Eintragung im Grundbuch liegt eine schuldrechtliche Vereinbarung zugrunde, die z.B. in einem Schenkungsvertrag, einem Vermächtnis oder auch einem Miet-, Pacht- oder Leihvertrag begründet werden kann.
Wie endet ein Nießbrauchrecht?
Der Nießbrauch erlischt mit dem Tod des Nießbrauchers (§ 1061 BGB). Ein Nießbrauchrecht kann aber auch befristet oder bedingt bestellt werden. Der Nießbrauch kann auch vorzeitig aufgegeben werden, z.B. wenn auf das Nießbrauchrecht verzichtet werden soll. Hierbei kann es sich aber ggfs. um eine Schenkung handeln, für die Schenkungssteuer anfallen kann.
© Dr. Viviane von Lilienfeld-Toal
Rechtsanwältin und Notarin
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Mediatorin
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