Was ist das eigentlich ein Vorkaufsrecht? Sehr oft wird beim Immobilienverkauf danach gefragt und deshalb wollen wir im heutigen Expertenforum diesem wichtigen Thema, mit Hilfe einer echten Fachfrau, einen Beitrag widmen.

Das Vorkaufsrecht beim Immobilienverkauf.

Vorkaufsrechte gibt es in verschiedenen Ausgestaltungen. Zu unterscheiden sind dabei die öffentlich-rechtlichen und die privatrechtlichen Vorkaufsrechte. Diese sind wiederum zu unterscheiden zwischen gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen, also zwischen den Parteien vereinbarten Vorkaufsrechten. Zu beachten ist, dass es kein spezielles Vorkaufsrecht in Hannover gibt. Dies beruht auf Bundesgesetzen und ist daher in jedem Bundesland in gleicher Weise anzuwenden. Vor diesem Hintergrund werden die nachstehenden Fragen beantwortet, ohne jedoch den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

Wer hat wann beim Immobilienverkauf ein Vorkaufsrecht?

1. Öffentlich-rechtliche Vorkaufsrechte

Nach § 24 BauGB steht der jeweiligen Gemeinde beim Verkauf von Grundstücken in den folgenden Fällen ein allgemeines Vorkaufsrecht zu:
– an im Geltungsbereich eines Bebauungsplans für öffentliche Zwecke ausgewiesenen Flächen,
– an allen Grundstücken in förmlich ausgewiesenen Umlegungs-, Sanierungs- oder Erhaltungsgebieten,
– für unbebaute Flächen, die im Flächennutzungsplan als Wohngebiete ausgewiesen sind,
– auf unbebauten Grundstücken in Wohngebieten im Innenbereich außerhalb eines Bebauungsplans sowie
– in Überschwemmungsgebieten.

Wird z.B. ein Grundstück in Hannover verkauft, hat die Stadt Hannover daher möglicherweise ein Vorkaufsrecht. In welchen Gebieten in Hannover der Stadt tatsächlich ein Vorkaufsrecht zusteht, kann pauschal nicht beantwortet werden. Dies kann entweder durch direkte Nachfrage bei der Stadt Hannover vor Beurkundung des Kaufvertrages in Erfahrung gebracht werden (soweit die Stadt Hannover die Auskunft erteilt) oder durch entsprechende Vorkaufrechtsanfrage durch den Notar nach der Beurkundung.

Die Gemeinde kann zudem durch entsprechende Satzung ein besonderes Vorkaufsrecht für alle unbebauten Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes begründen oder für solche Flächen, in denen die Gemeinde städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht (vgl. § 25 BauGB). Für die Stadt Hannover gibt es derzeit keine Vorkaufsrechtssatzung. Allerdings existieren zwei Vorkaufsrechtssatzungen in der Gemeinde Isernhagen (Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover Nr. 23 vom 16. Juni 2011 und Nr. 3 vom 23. Januar 2014).

Das öffentlich-rechtliche Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies erfordert. Somit kann die Gemeinde das Vorkaufsrecht auch nur für Teilflächen ausüben, wenn nur diese Teilflächen dem öffentlichen Zweck zugeführt werden sollen.

2. Privatrechtliche Vorkaufsrechte

2.1 Vorkaufsrecht nach § 577 BGB

Zudem gibt es auch privatrechtliche Vorkaufsrechte. Hier ist vor allem das gesetzliche Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 BGB zu nennen. Hierbei handelt es sich um eine Vorschrift zugunsten des Mieters. Dieser ist zum Vorkauf berechtigt, wenn eine an ihn vermietete Wohnung, an der nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft wird. Ein Vorkaufsrecht besteht aber dann nicht, wenn der Vermieter die Wohnräume an eine zu seinem Hausstand gehörende Person oder an einen Familienangehörigen verkauft. Der Mieter ist auf sein Vorkaufsrecht hinzuweisen und hat Anspruch auf Kenntnisnahme des vollständigen Verkaufsvertragsinhalts.

Das Vorkaufsrecht gilt ausschließlich für den ersten Verkaufsfall nach der Aufteilung in Wohnungseigentum. Es besteht somit nicht mehr, wenn der Erwerber der umgewandelten Wohnung diese weiter verkauft und zu dieser Zeit immer noch der gleiche Mieter die Wohnung bewohnt, ebenso nicht mehr nach dem Verkauf einer Eigentumswohnung im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Insolvenzverwalter oder nach Verkauf an einen Familienangehörigen.

Auf das Vorkaufsrecht kann nicht verzichtet werden, solange es noch nicht entstanden ist. Ein solcher Verzicht ist unwirksam. Wirksam ist dagegen jedoch der Verzicht auf das Vorkaufsrecht nach dessen Entstehen und ausreichender Information des Mieters über sein Vorkaufsrecht.

Da es sich bei dem Vorkaufsrecht nach § 577 BGB um ein privatrechtliches Vorkaufsrecht handelt, wirkt es auch nur schuldrechtlich. Es bewirkt also keine Grundbuchsperre. Bei Missachtung macht sich der Verkäufer jedoch schadensersatzpflichtig.

Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts beträgt zwei Monate seit Mitteilung über den abgeschlossenen Kaufvertrag und ausreichende Unterrichtung des Mieters über das Vorkaufsrecht.

2.2 Rechtsgeschäftliche Vorkaufsrechte

Vorkaufsrechte können zudem auch rechtsgeschäftlich vereinbart werden. Hierbei ist zwischen dem schuldrechtlichen und dem dinglichen Vorkaufsrecht zu unterscheiden, bei denen jedoch hinsichtlich Ausübung und Wirkung keine Unterschiede zu den anderen Vorkaufsrechten bestehen. Dem dinglichen Vorkaufsrecht kommt die Wirkung einer Vormerkung zu, wird also für jeden ersichtlich im Grundbuch eingetragen. Damit sind Verfügungen über den Grundbesitz, die das Vorkaufsrecht vereiteln oder beeinträchtigen, dem Vorkaufsberechtigten gegenüber (relativ) unwirksam, und der Vorkaufsberechtigte kann insoweit Löschung verlangen. Wegen dieser starken Wirkung kommt das rechtsgeschäftliche Vorkaufsrecht bei Grundstücken meist in der Form des dinglichen Vorkaufsrechts vor.

Allerdings kann auch das schuldrechtliche Vorkaufsrecht, welches zumeist privatschriftlich vereinbart wird, im Grundbuch durch eine Vormerkung gesichert werden. Während die Sicherungswirkung beim dinglichen Vorkaufsrecht jedoch grundsätzlich erst im Zeitpunkt des Vorkaufsfalls beginnt, tritt die Vormerkungswirkung beim persönlichen Vorkaufsrecht bereits mit der Eintragung der Vormerkung im Grundbuch ein.

Wann und wie wird das Vorkaufsrecht ausgeübt?

Das Vorkaufsrecht der Gemeinde wird durch einen so genannten Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer als Vorkaufsrechtsverpflichteten ausgeübt, so dass der Kauf zu denselben Bedingungen des Kaufvertrags zwischen Verkäufer und Käufer zustande kommt. Diese Vorkaufserklärung ist stets formfrei, aber bedingungsfeindlich und unwiderruflich. Die Ausübung des Vorkaufsrechts unterliegt einer gesetzlichen Ausschlussfrist von 2 Monaten ab Mitteilung über den rechtswirksamen Kaufvertrag. Das Vorkaufsrecht kann jedoch auch schon vor Fristbeginn ausgeübt werden.

Voraussetzung für die Ausübung ist, dass der Vorkaufsrechtsverpflichtete mit dem Käufer einen wirksamen Kaufvertrag abgeschlossen hat. Vorher kann das Vorkaufsrecht durch den Vorkaufsberechtigten, also der Gemeinde, nicht ausgeübt werden.

Selbstverständlich kann aber ein Wohnungskauf auch unabhängig von der Ausübung des Vorkaufsrechts dann erfolgen, wenn sich der Wohnungsverkäufer direkt an den Vorkaufsberechtigten zwecks Verkaufs wendet, etwa weil er ohnehin nur an diesen verkaufen möchte. Dieses Rechtsgeschäft hat dann freilich nichts mit dem Vorkaufsrecht zu tun.

Auch beim privatrechtlichen Vorkaufsrecht erfolgt die Ausübung durch Erklärung des Vorkaufsberechtigten (z.B. der Mieter) gegenüber dem Verkäufer innerhalb einer Frist von zwei Monaten.

Was ist zu beachten?

Bei der Ausübung eines Vorkaufsrechts, sei es öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich, kommt ein Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten ( z.B. Gemeinde bzw. private Dritte) zustande und zwar zu den mit dem Ersterwerber vereinbarten Bestimmungen. Allerdings ist zu beachten, dass der bisherige Kaufvertrag mit dem Ersterwerber durch die Ausübung des Vorkaufsrechts in seinem Bestand unberührt bleibt, so dass der Verkäufer nunmehr mit den Erfüllungsansprüchen sowohl des Ersterwerbers, als auch des Vorkaufsberechtigten konfrontiert wird. Da er aber nur gegenüber einem der Beteiligten erfüllen kann, setzt er sich dem anderen gegenüber den Ansprüchen wegen Nichterfüllung aus. Hier muss bei der Gestaltung des Grundstückskaufvertrags darauf geachtet werden, dass sich der Verkäufer den Rücktritt vom Kaufvertrag mit dem Ersterwerber vorbehält.

Was ist eine Vorkaufsrechtsverzichtserklärung und wer holt diese ein?

Nach der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages holt in der Regel der beurkundende Notar die sog. Vorkaufsrechtsverzichterklärung bei der jeweiligen Gemeinde ein, indem er der Gemeinde den Abschluss des Kaufvertrages mitteilt. Die Gemeinde muss dann innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung dem Notar gegenüber erklären, ob ein Vorkaufsrecht besteht und, ob dieses ausgeübt werden oder auf dieses verzichtet werden soll.

Besteht ein Vorkaufsrecht und soll dieses durch die Gemeinde nicht ausgeübt werden, ist diese verpflichtet, ein so genanntes Negativattest hinsichtlich der Nichtausübung auszustellen, welches den endgültigen Verzicht auf das Vorkaufsrecht dokumentiert. Das Negativattest ist daher eine Bescheinigung für den Notar, dass die Gemeinde kein Vorkaufsrecht hat bzw. auf das ihr zustehende Vorkaufsrecht verzichtet.

Die Vorkaufsrechtsverzichtserklärung ist in der Landeshauptstadt Hannover und den umliegenden Gemeinden der Region Hannover gebührenpflichtig. Für die Landeshauptstadt Hannover ist dies in der Verwaltungskostensatzung der Landeshauptstadt Hannover geregelt, wobei die Gebühr derzeit 44,80 EUR beträgt. Kostenschuldner ist dabei regelmäßig der Käufer, also derjenige, der zu der Verwaltungstätigkeit auch den Anlass gegeben hat.

Iris Knackstedt Rechtsanwältin und Immobilienkauffrau

© Iris Knackstedt Rechtsanwältin und Immobilienkauffrau

Wir bedanken uns für diesen umfassenden Beitrag bei bethge | immobilienanwälte, Rechtsanwälte und Notare, Rathenaustr. 12, 30159 Hannover, Telefon 0511 360 86 33

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